Samstag, 6. Juni 2015

Gedanken zu: Perfektionismus

Ich werde sehr oft gefragt, wie ich das alles unter einen Hut bekomme: Mama sein, selbständig berufstätig in verschiedenen Sparten, studieren, bloggen, kochen, Haushalt alleine schupfen, und und und.
Ganz ehrlich? Gar nicht!
Zumindest nicht so perfekt wie ich das gerne hätte. Das fühlt sich manchmal sehr nach Scheitern an.
Irgenwas leidet immer. Die Wohnung ist oft alles andere als picobello, wenn ich zu kaputt zum Kochen bin, hole ich eben Sushi vom Japaner um´s Eck, oder wenn´s ganz schlimm mit der Müdigkeit ist, dann bestelle ich eben was. Immer wieder muss ich Besprechungen verschieben, weil Sonnenschein andere Pläne in Bezug auf schlafen gehen oder auch gesund sein hat, als ich mir das bei der Terminplanung ausgemalt hatte.  



Gerade Mama sein hat mich gelehrt, dass alles perfekt machen zu wollen gar nicht möglich ist und nur Stress und Selbstverunglimpfung verursacht.
Als mein Sonnenschein gerade ein paar Tage alt war, hatte ich einen ziemlichen Zusammenbruch, den ich im Nachhinein aber als Epiphanie-Moment betrachte. Natürlich wollte ich, wie die meisten Eltern, alles von Anfang an absolut richtig und "perfekt" machen. Ich hatte mich gründlich auf meine neue Rolle als Mama vorbereitet, unzählige Bücher und Artikel darüber gelesen, Kurse besucht.
Dann kam mein Sonnenschein und all die guten Ideen und Pläne gingen nicht auf. Mein Kind verhielt sich einfach nicht so wie es in den Büchern von ach-so-schlauen Ratgebern dargestellt wird, von denen aber einige so geschrieben sind, dass man sich, sobald man deren Ratschlägen nicht 1:1 folgt oder folgen kann, ziemlich schnell als Rabenmutter fühlt. Die große Kehrtwende in meiner Selbstverurteilung kam, als ich ein weiteres, hochgepriesenes Buch gelesen hatte, das das exakte Gegenteil eines anderen von mir bis dahin sehr geschätzten Buches besagte. Daraufhin beschloss ich nicht mehr alles so für bare Münze zu nehmen und lieber meiner Intuition zu folgen. Im Moment, was genau dann stimmig ist.

Es gab viele Momente in denen ich vollkommen ratlos war und bis heute bin. Ein ordentlicher Trotzanfall kann einen schon an alle Grenzen bringen. Vor allem dann, wenn keiner der erlesenen oder von Wohlwollenden gegebene Ratschläge auch nur im Ansatz fruchten. Da hilft meist nur dafür zu sorgen, dass das Kind sicher ist und kurz ins andere Zimmer zu gehen um ein paar Mal kräftig durchzuatmen. Das reicht meistens, damit sich alle wieder beruhigen.
Trotzdem fühle ich mich in den Momenten manchmal immer noch sehr gescheitert. Auch wenn ich mittlerweile sogar schon von einigen Fach-Menschen gehört habe, dass das eine für alle sehr gesunde Methode ist um so eine Situation aufzulösen. Es ist halt eben nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen ;)

Was ich eigentlich sagen wollte, egal in welchem Bereich, nach Perfektionismus zu streben ist unrealistisch und einfach nur stressig. Denn wann hat man tatsächlich den Punkt erreicht so mit etwas zufrieden zu sein, dass man sagen kann: "Das ist perfekt!"
Ist mir ehrlich gesagt noch nie passiert. Egal wieviel ich gegeben habe.
Viel wichtiger ist für mich die Erkenntnis, wenn ich das Beste gebe darf ich auch anerkennen, dass das Ergebnis, das Bestmögliche in der jeweiligen Situation ist.
Meine letzte Arbeit für die Uni brachte mal nicht ein grandioses "distinction" (ausgezeichnet), sondern ein solides "merit" (durchschnittlich). Mein Ego hätte lieber Ersteres, aber wenn ich´s neutral betrachte:
Ich hatte in der selben Woche 3 große Abgabetermine, mein Sonnenschein und ich waren in den Wochen davor jeweils 2x krank, Internet war die meiste Zeit ausgefallen,…. dass ich überhaupt eine positive Arbeit abgeben konnte ist fast ein Wunder. Also sollte ich mich nicht nur freuen sondern ich kann auch stolz auf mich sein. Auch wenn das Ergebnis nicht "perfekt" ist.

Was ich auch gelernt habe, dass um Hilfe zu bitten und Hilfe von ganzem Herzen anzunehmen insbesondere für Eltern absolut essentiell ist. Es fällt mir nach wie vor nicht wirklich leicht, aber ein paar schlaue Menschen haben mir einige gute Dinge dazu gesagt, die ich euch einfach mitgeben möchte:
"Jeder braucht ab und zu Hilfe. Mal hilfst du anderen, dann helfen sie wieder dir. Das ist menschlich." 
"Anderen Menschen zu helfen verursacht meist ein gutes Gefühl bei demjenigen der hilft. Wenn nicht, dann tut er´s nicht vom Herzen." 
"Dein potentieller Helfer ist frei "nein" zu sagen, wenn er nicht will. Wenn er ja sagt, dann nimm es an. Ohne wenn und aber!"
Zum Glück habe ich eine wunderbare Familie in meiner Nähe auf die ich immer zählen kann. Aber die dürfen und sollen auch ihre Grenzen setzen, wenn es mal nicht für sie passt und ich vertraue darauf, dass sie diesbezüglich immer ehrlich mit sich und mir sind.  So wie umgekehrt auch. Ich habe auch noch wirklich großartige Freunde. Allein bin ich also nicht, solange ich mich nicht isoliere, meine Freundschaften so gut wie möglich pflege und um Hilfe bitte, wenn ich sie brauche. Tipp am Rande: Gedanken lesen können die meisten Menschen nicht. Man muss sich schon entsprechend artikulieren wenn man was braucht ;)
Umgekehrt hoffe ich auch, dass meine Freunde soviel Vertrauen zu mir haben, dass sie wissen, sie können immer zu mir kommen und mich um Hilfe bitten und wenn ich kann werde ich sie ihnen immer gerne geben.

Abschließend noch zwei Gedanken, die bei mir auch viel im Zusammenhang mit Perfektionismus bewirkt haben:
Perfekt sein ist langweilig. Viel spannender sind Ecken und Kanten, die einen Menschen, eine Geschichte, ein Interpretation, eine Mahlzeit oder was auch immer einfach aufregender und unberechenbarer machen.
Beim  zweiten Gedanken bediene ich mich der Worte des französischen Philosophen Voltaire, die es für mich einfach treffend auf den Punkt bringen:
"Das Bessere ist der Feind des Guten" 

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